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Gehobene Küche, leider ohne Raffinesse. Nach zwei ansprechenden Mittagsbesuchen erfolgte vor einer Empfehlung an (Hochemer) und andere Gäste mit fußläufigem Hotel erst einmal der Härtetest: Abendessen mit Gattin.
Fazit: Von der ersten Liga (der Stadt) ein deutliches Stück entfernt, aber eine gute Alternative, wenn es nicht der ganz große Auftritt sein muss. Das Ambiente kann man nur beeindruckend finden; ob schön oder scheußlich bleibt indes die Frage des persönlichen Geschmacks. Gourmet-Architekten und andere Liebhaber klarer Formen mögen sich wappnen!
Bedienung
Leider war der Mit-Inhaber nicht anwesend, der ein wesentlicher Teil der Gesamtinszenierung ist: Gewandet und frisiert im Stile eines englischen Dandy finde ich keineswegs, dass ihm Arroganz aus den Augen scheint. Vielleicht mit einem aus der Zeit gefallenen Äußeren und einem ebensolchen Habitus, der aber in sich und im Lokal völlig stimmig ist. Max Raabe in Tweed trifft es ganz gut. Bei unserem Abendbesuch wurde der Service von zwei Damen erledigt. Garderobe hatten wir an diesem heißen Tag nicht. Uns wurde ein Tisch auf dem Gehweg angeboten sowie zwei zur Auswahl im Restaurant. Wir wurden weitgehend von einer höflichen, etwas strengen Dame umsorgt, die leider ihren starken Akzent mit besonders schnellem Reden kompensierte. Wir mussten mehrfach nachfragen, erhielten dann aber vernünftige Auskunft. Kaum Platz genommen, mussten wir uns der Frage nach dem Aperitif erwehren. Später wurde dann aber unser Tempo aufgenommen. Mit aktiven Empfehlungen wurde bei Speis und Trank sparsam umgegangen, andererseits war der Service immer präsent, wenn wir ihn brauchten. Die Wartezeit zu Getränken und Gängen war, wie jeweils gewünscht. Zur gemischten Vorspeise wurde ein zweiter Teller für meine Gattin angeboten. Das Annoncieren klappte bis auf die sprachlichen Schwierigkeiten problemlos, ebenso das Nachschenken, auch ein weiteres Glas Wein wurde zeitnah angeboten. Die Dame erkundigte sich immer zum richtigen Moment nach unserer Zufriedenheit. Insgesamt ein aufmerksamer, aber distanzierter Service ohne Mängel.
Das Essen
Wir wählten
Gurkenwasabi-Suppe mit Hummerfleisch 8,9€
Gemischte Vorspeisenplatte Medio 16,9€ bestehend aus Rote Beete und Büffelmozzarella aus der Folie, Teryaki-Rinderfiletspieß, Aprikose im Speckmantel, Gamba Bruschetta, gefüllter Champignon, Sushi Tuna Tartar, Baguette
Filets vom St.-Petersfisch mit mit Ragout von zweierlei Spargelspitzen in Weißburgundersauce, serviert „an“ (s.u.) Nudeltaschen gefüllt mit Mascarpone und Limonen 22,9€. Hätte ich ja gern gesehen, so eine Teigtasche gefüllt mit Limonen... Vielleicht ein Angebot an irgendwelche XXL-Sender?
Meine Begleiterin entschied sich für das „kleine“ Menue (ohne, dass ein großes erkennbar angeboten wurde) für 35,9€. Das waren Cremesuppe von der Süßkartoffel mit Gemüsechips und Croutons, Thunfischcurry (alternativ Lamm) und Trilogie von der Kokosnuss
Als Getränke entschieden wir uns für einen Champagner Taittinger 12€, Prosecco mit frischem Erdbeermark 7€, offenen Weißburgunder vom Weingut Herrenberg aus der Pfalz für 6,9€, italinienisches Surgiva Gletscherwasser 0,75l für 5,9€ und Espresso lungho für freundliche 1,9€.
V orweg erhielten wir zweierlei Baguette, von dem das gekräuterte überzeugen konnte, das helle war Standardware. Dazu schön gewürzte Tapenade von grünen Oliven, vermengt mit ganzen entkernten Exemplaren. Nicht ganz einfach zu essen. Olivenöl und mit dreierlei Pfeffer vermengtes Salz stand in größeren original Schott Reagenzgläsern auf den Tischen. In der Tat offen, aber eine in einer Vorkritik bemerkte Muffigkeit kann ich nicht bestätigen. Zusätzlich erhielten wir später eine Pfeffermühle und gemahlenen Pfeffer sowie sehr feines Salz in einem Holzkästchen auf den Tisch.
Meine drei Gänge konnten sich permanent steigern.
Die Suppe wurde in überschaubarer Menge ca. 0,15l in einem Wasserglas sehr heiß serviert, was ich durchaus schätze. Bei fast 30 Grad Außentemperatur wäre in der Küche allerdings ein spontaner Umstieg auf geeistes Gurkensüppchen ein Geniestreich gewesen. Die Suppe war von schöner grüner Farbe und wirklich nur bei allergrößtem Wohlwollen war ein Hauch von Gurke zu schmecken. Wasabi oder eine sonstige Schärfe völlige Fehlanzeige. Hauptsächlich schmeckte die Suppe salzig (allerdings nicht unangenehm) und undefinierbar „gemüsig“. Auch insoweit wäre eine kalte Darreichung hier sinnvoller gewesen. Dagegen waren die ausreichenden kleinen Hummerfleisch-Stückchen sowohl in Geschmack, als auch Konsistenz sehr gefällig. Dazu frische Weißbrot-Croutons, lobenswerter Weise extra gereicht und wieder das Einheits-Stangenweißbrot. 3 Sterne.
Von den Vorspeisen überzeugte das Rinderfilet durch Zartheit und Teryakigeschmack, der geschmacksstarke Pilz mit würziger Schafskäse(?)-Füllung und die Aprikose, deren Speckmantel allerdings schon krosser hätte sein dürfen. Gambastückchen in pikanter roter Soße auf gerösteten Weißbrot tadellos. Rote Beete und Mozzarella waren in Alufolie exakt gegarte, die Wurzel weich und voll im Geschmack, der Käse nur teilweise schon am zerlaufen, aber völlig von Rosmarin dominiert. Das Thunfischtartar von hellstem, ergo geschmacksneutralem Fleisch und nach der Art eines Matjessalat mit Zwiebeln angemacht. Ich habe mich schwer getan, Thunfisch zu erkennen. Da half auch die originelle Vorlage in einer leeren Sardinenbüchse nichts. 3,5 Sterne.
Das Hauptgericht war geschmacklich überzeugend. Zwei Filets vom wunderbaren, wunderbaren St.-Pierre natur in der Pfanne gebraten. Das dünnere einen Tick zu lange (fest, aber keineswegs trocken), das kräftigere perfekt. Wie schon bei meinem letzten Besuch grüner und weißer Spargel von schönem Biss und kräftigsten Geschmack. Nur deutscher Juni-Spargel schmeckt wir deutscher Juni-Spargel! Zusammen mit der milden, aber überzeugenden Weißweinsauce ein wunderbares Ragout. Drei sehr große Ravioli exakt gegart und der Frischkäse darin harmonierte mit seiner leichten Limonennote wunderbar mit der Weißweinsoße. Mindestens 4 Sterne. Verbesserungswürdig die Präsentation. Wie schon bei meinem Mittagsgericht wurde alles aufeinandergeschichtet und „schwamm“ im Ragout. Nix mit „an“ Nudeltaschen...
Meine attraktive Begleiterin schwärmte von der Süßkartoffelsuppe ebenso wie von den Gemüsechips. Beim Thun-Curry wurden die vielfältigen gut gegarten, geschmacklich ausdrucksstarken und würzigen Gemüse gelobt. Die Fischstücke tendierten indes teilweise zu trocken. Das Kokosnuss-Dessert bestand aus Panna Cotta, Eis und Crema Catalana und konnte in allen drei Komponenten überzeugen, wie ich selbst erfahren durfte. (Wohl dem, der seinen Vorspeisenteller nicht allzu aufmerksam hütet...)
Der Prosecco-Cocktail mundete der Dame, der Champagner wie häufig nur auf Weißweintemperatur. Der Weißburgunder, mangels Silvaner gewählt, war ausgewogen und korrespondierte gut mit den Fischgängen. Sogar die Dame griff noch zu, an deren Abstinenz die Wahl eines Flaschenwein zuvor noch gescheitert war. Mit dem Dänenprinz: Schwachheit, dein Name ist Weib! Der Espresso war so mild, wie ein lungho sein sollte, mit wenig Crema und wurde vorbildlich trotzdem mit Wasser serviert. Dazu – meine Kinnlade klappte nach unten – eine Waffel und ein Keks aus der Industriedose. Dann doch lieber gar nichts...
Insgesamt schwache 4 Sterne.
Das Ambiente
Ich meine: Man muss Geschmack anerkennen, auch wenn er nicht dem eigenen entspricht. Ein Gesamtkunstwerk der opulenten Raumgestaltung. In den hohen Raum des hanseatischen Kaufmannshauses ist eine Zwischendecke eingezogen, so dass um die Treppe oben eine geräumige Galerie entsteht, im Erdgeschoss beiderseits des Eingang ein recht niedriger Raum, der jedoch durch die Schaufensterverglasung sehr hell bleibt. Der Blick fällt durch die großen Scheiben über den vielbefahrenen Wall-Boulevard auf die wunderbare Parkanlage. Auf dem Bürgersteig vor dem Lokal einige Tische durch großzügige Buchsbäume vom Verkehr notdürftig getrennt. Am Sonn-Abend geht’s noch, ansonsten muss man es schon mögen. Das Interieur ist Ausdruck eines konsequent durchgesetzten Hangs zur Melodramatik. Wären die cremefarbenen Ledersitze nicht, könnte das Ambiente als morbide gekennzeichnet werden: Schwarz und Silber all überall. Des Abends Dutzende Kerzen in dunklen Gläsern. Zig dunkle Flaschen bis zur 3-Liter-Bouteille. Tische, Regale, Wände übersät mit Accessoires, die eines eint: Ihre Stimmigkeit zueinander. Da war nicht eines, das nicht gepasst hätte. Ob man natürlich Geweihe, Silberkugeln und einen Wein-Altar mag, steht auf einem anderen Blatt. Wer sich darauf einlässt, hat indes viel zu schauen.
Das Publikum bestand überwiegend aus Paaren mit gewisser Lebenserfahrung, tagsüber auch viele Geschäftsessen und gleich mehreren Freundinnen zum Verschnaufen nach dem Shopping-Bummel.
Sauberkeit
Tadellos. Besonders hervorzuheben die Toiletten mit Frottee-Handtüchern und Kieseln im Waschbecken. Die Gestaltung fügt sich nahtlos in das Gesamtkurnstwerk ein. Moderner Kristallüster, oberhalb der Fliesen schwarze Tapete mit floralem Prägedruck in Grau. Spiegelrahmen natürlich in Alt-Silber.